Die Launen des Klimas

 
Palmen in Ascona
 

Die Zentralschweiz ist nicht allein Wiege der schweizerischen Eidgenossenschaft. Sie ist nicht nur Herz eines stark ausgebildeten Gewässernetzes, das seine Verästelungen quer durch Europa treibt. Sie ist auch Treffpunkt sehr unterschiedlicher Klimaten. Von Westen her strömen verhältnismässig  milde und feuchte ozeanische Luftmassen ein. Von Osten dagegen weht im Winter unter dem Einfluss eines ausgeprägten Kontinentalklimas ein eher frischer und trockener Wind, der sich dann im laufe des Sommers spürbar erwärmt .ein kalter Polarwind, die berüchtigte Schwarze Bise, bläst aus dem Norden, ein feuchter  wind, der Föhn, aus dem Süden. Die Schweiz geniesst also ein Übergangsklima, das auf den Gebirgsmassiven doch stark  unterschiedlichen Schwankungen unterworfen ist. Auf der Jungfrau fallen 4000 mm Regen im Jahr und wenige Kilometer davon entfernt, im Wallis, nur 500 mm. Berücksichtigt man die Breitenlage, ist das Landesklima eher rauh. Auf Dreiviertel des Gebietes gehen jährlich mehr als ein Meter Regen nieder. Die sehr regenreiche Gegend um den Gotthard ist unter dem Namen „Nachttopf der Schweiz“ bekannt, was weder ihren strategischen Gewicht noch ihrer geschichtlichen Bedeutung schmeichelt. Mit der Höhe steigen auch die Niederschläge. Auf den Spitzen fallen sie als Schnee. Auf dem Säntis schneit es etwa 150 Tage im Jahr. Das Klima ist recht abwechslungsreich. Bei La Brévine, im Neuenburger Jura, einem richtigen Schweizer Sibirien, werden im Winter Temperaturen gemessen, die bis auf 30 Grad unter Null absinken. Zur gleichen Zeit wachsen in Montreux die Palmen, und  auf den Inseln des Lago Maggiore kann man zahlreiche tropische Pflanzenarten bewundern, Doch ist das Gebirge nicht immer  eine Welt  voller Feuchtigkeit und Nebel, wie man sich das noch allzu oft vorstellt. Sobald man die Wolkenschichten durchstossen hat, bleibt die Luft im allgemeinen recht trocken. Während im Winter die Ebene und die Täler in eine dicke, trübe und traurige Nebeldecke eingewickelt werde, woran sogar grössere Optimisten verzweifeln können, ist es auf den Höhen schön, recht heiss sogar und die Touristen können ihre Sonnenbäder geniessen, als ob sie am Strand des Mittelmeeres oder einer Karibikinsel lägen. Dennoch steht das Gebirge unter dem Einfluss eines ozeanischen Klimas dank den reichen Niederschlägen, der hohen Zahl an Regentagen sowie einer ziemlich ausgedehnten  Bewölkung. Der Atlantik lenkt feuchte Winde aufs Festland, die das Land von Westen nach Osten durchziehen. Wenn sie an den Jura oder die Alpen gelangen, steigen die Luftmassen auf, kühlen ab, und ein grosser Teil ihrer Feuchtigkeit geht als mehr oder weniger starke Regenfälle nieder. Die Südseite  des Reliefs bleibt verschont; sie ist eine bevorzugte, relativ trockene Gegend. Mit dem Südwind hat es die gleiche Bewandtnis. In diesem Fall treffen die Niederschläge den Südhang der Alpen, beiderseits des Rhein-Rhone-Grabens. Das Zentraltal im Wallis bleibt so verschont; es fallen hier nur500 bis 800 mm Regen pro Jahr. Schon für das Regionalklima spielen die Winde eine wesentliche Rolle. Bereits am frühen Morgen werden die Ostflanken der Berge non den Sonnenstrahlen aufgeheizt. Die Luft steigt auf, streicht an den hohen Gipfeln vorbei und verdichtet sich zu Kumuluswolken. Diese Aufwärtsbewegung der Hangwinde erzeugt einen taleinwärts strömenden Sog, der grosse Pappeln beugt und ihnen ihr Leben lang diese seltsame Haltung aufzwingt. Während der Nacht dreht sich die Erscheinung um. Die kalte und schwere Luft der Höhe sinkt in das Tal nieder. Der Bergwind begleitet diese Bewegung und Bläst nun in umgekehrter Richtung wie der Talwind am Morgen. Mehr als die andern Winde gibt der Föhn den Meteorologen Rätsel auf. Früher meinte man, er  komme aus der Sahara. Doch heute wissen wir, dass dieser warme und feuchte Wind aus dem Mittelmeerraum weht. Manchmal gesellen sich ihm Saharaströmungen bei; sie sind mit rötlichem Sand beladen, dessen Spuren man auf den weiten Schneefeldern der alpinen Zonen wiederfindet. Der Föhn legt auf seinem Weg nach Norden mehrere Etappen zurück. In den Südalpen entledigt er sich seiner Feuchtigkeit in sintflutartigen Regenfällen, welche die Bäche anschwellen lassen, Dann überwindet er die Gebirgskette, setzt seine Reise gen Norden fort und bläst über das Mittelland. Bei seiner Nebelschwaden verschwinden, und die Atmosphäre wird wie durch ein Wunder durchsichtig klar. Wenn sich auch noch einige Wolken an den Gipfeln der Alpennordseite festklammern, öffnet sich ringsum ein Föhnfenster, eine lichte, sonnige Zone. Der Föhn ist zugleich wohltuend und  schädlich. Er begünstigt das Wachstum jener Pflanzen, die, wie Reben, Mais und Kastanien, Wärme brauchen. Doch zerstören seine heftigen Böen Wälder und Häuser und entfachen bisweilen Feuersbrünste, die im ganzen Dorf wüten. Der Föhn bringt den Schnee plötzlich zum schmelzen; Wasserläufe treten über ihre Ufer und verursachen teilweise katastrophale Überschwemmungen. Nicht zuletzt fürchten auch viele Bewohner diesen Südwind, weil er ihnen Schlaflosigkeit, Migräne und aussergewöhnliche Erschöpfungszustände beschert. 

 

 

SchweizerSeiten