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Anerkennung und Gewährleistung der immerwährenden Neutralität der Schweiz

 
 

Anerkennung und Gewährleistung der immerwährenden Neutralität der Schweiz und der Unverletzbarkeit ihres Gebiets.
Paris, 20. November 1815

Nachdem der Beitritt der Schweiz zu der in Wien am 20. März 1815 von den Mächten, welche den Pariser Vertrag unterzeichnet haben, ausgestellten Erklärung, den Ministern der kaiserlichen und königlichen Höfe durch die Urkunde der schweizerischen Tagsatzung vom 27. darauf folgenden Mai gehörig kund gemacht werden: so stand der Ausfertigung der Urkunde über die Anerkennung und Gewährleistung der immerwährenden Neutralität der Schweiz in ihren neuen Grenzen, so wie diese durch obige Erklärung bestimmt sind, nichts im Wege. Inzwischen haben
die Mächte es für rathsam erachtet, die Unterzeichnung dieser Urkunde bis auf den heutigen Tag zu verschieben, um die Veränderungen berücksichtigen zu können, welche die Kriegsereignisse und die in Folge derselben zu treffenden Anordnungen in den Grenzen der Schweiz hervorbringen, und die Modifikationen, welche ebenfalls rücksichtlich jener Verfügungen eintreten möchten, die das der Wohlthat der Neutralität der Eidgenossenschaft theilhaft gemachte Landesgebiet betreffen.

Nachdem nun diese Veränderungen durch die Bestimmungen des Pariser Vertrags vom heutigen Tag festgesetzt worden sind, so ertheilen die Mächte, welche die Wiener Erklärung vom 20. März unterzeichnet haben, durch die gegenwärtige Urkunde eine förmliche und rechtskräftige Anerkennung der immerwährenden Neutralität der Schweiz, und sie gewährleisten derselben auch den unverletzten und unverletzbaren Bestand ihres Gebietes in seinen neuen Grenzen, wie solche theils durch die Urkunde des Winercongresses theils durch den Pariservertrag vom heutigen Tage festgesetzt sind, und wie sie es ferner noch sein werden, in Folge der Verfügungen des als Beilage auszugsweise mitfolgenden Protokolls vom 3. November, worin zu Gunsten der Eidgenossenschaft ein neuer Gebietszuwachs von Savoyen her für die Ausrundung und Öffnung des Gebiets des Kantons Genf zugesichert wird.

Die Mächte anerkennen und gewährleisten gleichmäßig die Neutralität derjenigen Theile von Savoyen, welchen durch die Urkunde des Wienercongresses vom 29. März 1815 und durch den Pariser-Vertrag vom heutigen Tage der Genuß der schweizerischen Neutralität auf gleiche Weise zugesichert wird, als wären sie Bestandtheile dieses Landes.

Die Mächte, welche die Erklärung vom 20. März unterzeichnet haben, anerkennen durch die gegenwärtige rechtskräftige Urkunde, das die Neutralität und Unverletzbarkeit der Schweiz, so wie ihre Unabhängigkeit von jedem fremden Einfluß dem wahren Interesse aller europäischen Staaten entspreche.

Sie erklären, daß keinerlei den Rechten der Schweiz hinsichtlich auf ihre Neutralität und die Unverletzbarkeit ihres Gebiets nachtheilige Folgerung auf diejenigen Ereignisse gegründet werden könne noch solle, welche den Durchmarsch der alliirten Truppen über einen Theil des Schweizerbodens veranlaßt haben. Dieser durch die freie Zustimmung der Kantone in den Vertrag vom 20. Mai bewilligte Durchmarsch war eine natürliche Folge des offenen Beitritts der Schweiz zu den Grundsätzen, welche die Mächte in den von ihnen unterzeichneten Bundesvertrag vom 25. März zu Tage gelegt hatten.

Es anerkennen die Mächte mit Vergnügen, daß die Bewohner der Schweiz in jenem Zeitpunkt der Prüfung bewiesen haben, daß sie für das gemeine Wohl und zu Unterstützung einer Sache, für welche alle Mächte sich zu gemeinsamer Anstrengung vereint hatten, große Opfer zu bringen wußten und daß die Schweiz demnach auch jene Vortheile zu erhalten verdient hat, die ihr theils die Verfügungen des Wienercongresses, theils der Pariservertrag vom heutigen Tage und die gegenwärtige Urkunde zusichern, welcher beizutreten alle europäischen Mächte sollen eingeladen werden.

Zu Bekräftigung des Obstehenden ward gegenwärtige Erklärung ausgestellt und unterzeichnet zu Paris am 20. November des Gnadenjahres 1815.

Österreich: Der Fürst von Metternich.
Der Freiher von Wessenberg.
Frankreich: Richelieu.

Großbritannien: Castlereagh.
Wellington.

Portugal: Der Graf von Palmella.
D. Joachim Lobo da Silveira.

Preussen: Der Fürst von Hardenberg.
Der Freiherr von Humbold.

Russland: Der Fürst von Rasumoffsky.
Der Graf Capo d?Istria.

(Quelle: Repertorium der Abschiede der eidgenössischen Tagsatzungen aus den Jahren 1814 bis 1848, bearbeitet von W. Fetscherin, Bern 1874-1876, Band II, S. 812; abgedruckt in: Wilhelm Oechsli, Quellenbuch zur Schweizergeschichte, 2. Aufl., Zürich 1901, S. 659 ff.)

 
 

 

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